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1975      So begann es:   Die Geschichte der Gewächshausautomatisierung

In der Automatisierungstechnik war sie lange Zeit das Maß aller Dinge und sie war konkurrenzlos: Die ´analoge´ Automatisierungstechnik. Die heute eher Elektronik genannt Elektrik aus dieser Zeit bestand ausschließlich aus Operationsverstärkern, Transistoren und anderen sog. diskreten BauelementeKlaus Wöppel, Siemens DIGIZET, HORTEC 1985Klaus Wöppel, Siemens DIGIZET, HORTEC 1985n,  z.B. Wiederständen und Kondensatoren. Diese Technik wurde später „Analogtechnik“ genannt; im Unterschied zur ihr folgenden  „Digitalen Technik“,  mit zusätzlichen Logik-Bauelementen, die ausschließlich mit Nullen und Einsen arbeiten;  und zusammen mit Mikro-Chips und schließlich mit Mikro-Prozessoren. In großen Büros werden zur gleichen Zeit, zuerst von der Firma IBM, auf der digitalen Technik basierende sog. Büro- oder EDV-Computer zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzt. Sie arbeiten/rechnen hauptsächlich mit vielen tausenden von einzelnen Transistoren. 

Diese „Digitaltechnik“ kam dann auch in der industriellen Automatisierung und Produktion zum Einsatz. Im Unterschied zur vorgenannten EDV steuerte und regelte man damit aber grosse Produktionsbetriebe, zum Beispiel  große Stahlwerke oder Kraftwerke. Und im Unterschied zu den EDV-Computern, heute eher als Bürocomputer bezeichnet, wurden und werden diese Computer auch heute noch Prozessrechner genannt. Für einfache Automatisierungsaufgabe aber waren sie nicht nur zu teuer sondern auch zu voluminös und insgesamt viel zu aufwändig.

Mit der Miniaturisierung der digitalen Technik, als man es schaffte immer mehr Transistoren auf engstem Raum unterzubringen, da eröffnete sich eine ganz neue Welt; als es gelang mehrere tausend Transistoren in einem nur daumennagelgroßen Bauelement , Chip genannt,  zu integrieren, dem sog. Mikro-Chip. Zuerst gelang das in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA. Mit dem Bau von ganzen Prozessoren mit Rechenwerk, Steuerwerk und immer leistungsfähigeren Speicherwerken/Speichern auf nur noch in einem einzigen Chip, statt in DIN A4 großen Baugruppen, begann die große Zeit der Mikrocomputer. Nicht mehr ganze Schränke voll mit Baugruppen, wie beim Prozessrechner oder in der alten EDV, waren erforderlich, sondern nur noch eine oder ganz wenige Baugruppen. Eine neue Ära, mit einer immer intelligenter werdenden Automatisierung,  begann. Firmen in den USA wie z.B. Intel mit dem 8080 oder Zilog mit dem Z80 waren die Vorreiter.

„Integrated circuits“ (ICs) wurden jetzt die Prozessoren/Chips/Bauelemente genannt. Und alle Welt fragte sich, wo man diese Winzlinge denn überhaupt oder am besten einsetzen könne (“micros upon the door“). Sicher früher oder später einmal in der Waschmaschine und in der Kaffeemaschine; - aber taugten sie auch zur Klimaregelung, und für die Schaffung eines optimalen Pflanzenwachstums  im Gartenbau?

Da traf es sich gut, dass man im Niederländischen Gartenbau in den großen Forschungsinstituten so lange gar nicht gewartet hatte und schon zu Beginn der 70er Jahre u.a. mit Hilfe von Prozessrechnern der Firma Siemens begonnen hatte, das Wachstum und das optimale Klima für die Pflanzen zu erforschen. Die Euphorie war groß, denn die Erfolge waren messbar und oftmals deutlich sichtbar. Nur die damals zur Verfügung stehende

Technik war noch sehr voluminös, zu teuer und zu aufwändig. -  Zu aufwändig für einen normalen Produktionsbetrieb. Kein Thema für die vielen tausend Gartenbaubetriebe weltweit.

Schon so um 1975 wurde bei Siemens und in einer Entwicklungsabteilung in Karlsruhe die Idee geboren, es doch statt mit „Großrechnern“ mal mit der neuen Microcomputertechnik zu versuchen. Noch wusste niemand auf der Welt, wo die Grenzen der neuen Technik sind. Es galt zur Automatisierung  einer Anordnung von möglichst einer ganzen Reihe von Gewächshäusern in einem Prozessor hunderte von Regelkreisen aufzubauen um sie dann zyklisch abzuarbeiten. Es mussten zusätzlich zur Erfassung von hunderten von Messwerten, wie z.B. Temperaturen und Feuchten und den Meteorologischen Daten der Wettersstation, auch noch hunderte von Steuersignale  für Heizung, Lüftung und Schattierung etc. zur Verfügung gestellt werden.   

Kritiker - die gibt es ja immer - die meinten da zwar, das  alles sei ein völlig überflüssiges Unterfangen. Schließlich gäbe es doch schon  Systeme ohne Mikroprozessoren, die vergleichbares leisteten. Darüber hätte man mitleidig lächeln können.  Aber am Rande sei bemerkt: In der Praxis schafften es diese „Bedenkenträger“ doch,  dass in einigen der damals noch ganz wenigen Entwicklungslabors  nur  „versteckt unter den Labortischen“  mit den neuen Winzlingen  experimentiert werden durfte. - Alles zum Glück nur eine vorübergehende Erscheinung, denn den Fortschritt kann letztlich niemand aufhalten. 

Ende der 70er Jahre waren von Siemens unter dem Namen DIGIZET schon über 60 Mikrocomputer im Niederländischen Gartenbau im Einsatz, bei Tomaten, Gurken, aber auch im Zierpflanzenbau. Schnell fand sich eine Reihe von Nachahmern. Und einheimische niederländische Fabrikate wie Indal,  Priva, etc. kamen dazu.

Und bald danach, spätestens in den 80er Jahren, begann der weltweite Siegeszug, mit Gartenbaucomputern in Schweden und Norwegen für die Tulpenzucht oder für Salat; und sogar in Saudi Arabien zur Produktion von Rosen für die Königsfamilie.

Und der Kreis zu den Prozessrechnern aus dem Beginn der 70er Jahre in den Versuchsanstalten für Gartenbau in den Niederlanden schließt sich: Aus der weltweiten Biologischen Forschung genauso wie weltweit aus den Lehr- und Versuchsanstalten sind die Mikrocomputer heute nicht mehr wegzudenken.

Klaus Wöppel, Entwicklungsingenieur Siemens, Karlsruhe, im Ruhestand 2013